In der täglichen Beratungsarbeit stehen die Tiere im Mittelpunkt, das ist selbstverständlich. Wenn ich einen Viehbetrieb besuche – egal ob in Kasachstan oder in Deutschland –  versuche ich immer, mir ein klares Bild von täglichen Abläufen ​​zu machen. Es beginnt mit „Beobachten und Registrieren“, dem folgt stets das Gespräch mit dem Herdenmanager zur Analyse und Auswertung.

Es ist interessant und wichtig, zu sehen und zu hören, wie das Stallpersonal mit den Tieren interagiert. Zeigen die Tiere Stressreaktionen als Ausdruck von Angst oder bleiben sie „cool“?

Tiere sehen im Menschen oft eine potentielle Gefahr, manchmal ist er für sie auch uninteressant und sie beachten ihn kaum. Auf jeden Fall ist er so etwas wie der „Futtergott“ und er kann auch als Sozialpartner wahrgenommen werden. Alle Varianten erlebe ich in den verschiedensten Ausprägungen.

Fakt ist, dass Stressreaktionen das endgültige Produktionsergebnis deutlich beeinflussen. Stress reduziert die Milchleistung. Ein gutes Beispiel sind die Unterschiede in der Gesamtmelkzeit und Gesamtmilchleistung zwischen verschiedenen den Melkteams auf dem gleichen Betrieb. Herdenmanager kennen diesen Effekt, können ihn oft aber nicht erklären.

Angst und Stress verursachen ein negatives Verhalten des Tieres, Kühe stehen nicht ruhig, geben die Milch nicht her – wir alle kennen diese Situationen. Was passiert? Die Melker werden ungeduldig, der Teufelskreis in der Mensch-Tier-Beziehung beginnt.

In den modernen Haltungsverfahren kommt es kaum noch zu unbelasteten Kontakten zwischen Mensch und Tier. Wenn es überhaupt zu Berührungen kommt, dann verursachen Maßnahmen wie Enthornen, Klauenpflege und Impfungen dem Tier Schmerzen. Im Ergebnis sind erleben die Tiere Angst und Stress und einem Verlust an Tierwohl, dem Mensch widerfährt ein Mangel an Arbeitssicherheit, Effizienz, Ertrag und Zufriedenheit.

Dieser negative Teufelskreis kann nur durch eine Änderung der inneren Einstellung der Tierbetreuer durchbrochen werden. Ändert sich das Verhalten des Menschen positiv, wird sich mit der Zeit auch das Verhalten der Tiere positiv verändern.

Uwe Weddige

Foto: KFM